Andacht auf NDR 1 Niedersachsen ("Himmel und Erde") am 15.2.2006

von Marianne Engwicht, Pastorin in Balge

"So nimm denn meine Hände"

Sommer 1862. Nach wochenlanger Reise läuft das Schiff im Hafen ein. Die Sonne brennt heiß. Julie läuft der Schweiß und sie ist schrecklich müde. Aber sie ist am Ziel: Afrika. Endlich wird sie ihren Verlobten wieder sehen! Als sie sich kennen lernten und ineinander verliebten, da hatte er seine Ausreisepapiere gerade beisammen. Er war Pfarrer und wollte als Missionar nach Afrika gehen. Für Julie war bald klar, dass sie ihm nachreisen würde. Sie war so glücklich mit ihm. Die beiden verlobten sich noch, dann fuhr er in die Mission. Als endlich auch Julie die nötigen Papiere zusammen hat, macht sie sich auf die lange Reise, um ihrem Verlobten zu folgen.

Während das Schiff nun am Kai festgemacht wird, hält Julie aufgeregt Ausschau nach dem Geliebten. Aber er ist nicht da. Julie fragt sich durch, nimmt Träger und Führer in Dienst, die sie zur Missionsstation bringen. Sie fragt nach ihrem Verlobten. Doch die Leute schauen sie nur traurig und mitleidig an. Bis schließlich einer sie zum Friedhof führt. Drei Tage zuvor hat man ihren Verlobten dort beerdigt: Er war gestorben an einer Seuche.

Eine ergreifende Liebesgeschichte mit tragischem Ende. Es ist die Geschichte der Julie von Hausmann. Es heißt, sie habe sich noch am selben Abend hingesetzt und ein Lied gedichtet: "So nimm denn meine Hände und führe mich"! - so fängt es an. Noch heute gehört dieses Lied zu den bekanntesten aus unserem Kirchengesangbuch. Früher durfte es bei keiner Trauung fehlen, inzwischen kennt man es vor allem von Beerdigungen. Aber diese Vorgeschichte dazu kennen nur wenige.

"Ich will allein nicht gehen, nicht einen Schritt. Wo du wirst gehen und stehen, da nimm mich mit." – so dichtete Julie von Hausmann. Ihre Antwort auf den Tod. Eine Antwort der Liebe! Eine Antwort auf die Frage: was nun? Julie vermisst die Hand ihres Verlobten. Sie würde in diesem Moment am liebsten mit ihm sterben. Aber zugleich legt sie ihr Leben ganz in Gottes Hand. Gott wird sie weiter führen. Da ist sie sicher. Denn wenn auch ein Mensch stirbt.

Gottes Liebe bleibt.