Ein Luther-kritischer Hofprediger unter der Aufsicht
Goethes
13.12.2003 - (idw) Friedrich-Schiller-Universität Jena
SFB der Universität Jena veranstaltet vom 18.-20. Dezember
Herder-Tagung in Weimar
Jena (12.12.03) "Sage ab dem Teufel!" Diese Exorzismusformel
existierte lange Zeit in den Taufformeln auch der lutherischen
Kirche. Es war Johann Gottfried Herder (1744-1803), der diese Formel
aus der Taufordnung in Sachsen-Weimar verbannte. Doch die so modern
klingende Tat des Weimarer Hofpredigers war keineswegs revolutionär.
Das Weimarer Fürstentum gehörte zu den letzten Gegenden in
Deutschland, in denen die Formel entfiel. "Herder ist nicht DER
Aufklärer, sondern auch romantischer Kritiker der Aufklärung", fasst
Prof. Dr. Volker Leppin zusammen. Der Kirchenhistoriker von der
Universität Jena leitet die Tagung "Johann Gottfried Herder. Licht -
Liebe - Leben", die vom 18.-20. Dezember im Weimarer
Goethe-Nationalmuseum (Frauenplan 1) stattfindet. Rund 50 Teilnehmer
werden zu der öffentlichen Veranstaltung erwartet, die den Theologen
Herder in den Blick nimmt. Ausgerichtet wird die Tagung vom Jenaer
Sonderforschungsbereich (SFB) "Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800"
in Zusammenarbeit mit der Stiftung Weimarer Klassik und
Kunstsammlungen sowie der Herder-Gesellschaft.
Von 1776 bis zu seinem Tod war der bekannte Philosoph und Dichter
Herder auch Generalsuperintendent, Hofprediger, Stadtkirchenprediger
und Mitglied des Weimarer Kirchenkonsistoriums, also des höchsten
Kirchengremiums. Doch was nach kirchlicher Machtfülle klingt, fiel
in der Realität deutlich geringer aus. "Herder hatte wenig Raum,
sich zu bewegen", hat Prof. Leppin erforscht. Das Konsistorium hat
den "Luther-kritischen Pfarrer" permanent ausgebremst. Und er stand
unter der Aufsicht des Hofes und damit auch Goethes, der ihn
zunächst unterstützt und nach Weimar geholt hatte. "Allerdings galt
Herder wegen seiner aufklärerischen Gedanken von vornherein als
verdächtig", sagt Leppin. "Davon versprach sich Goethe viel", so der
Jenaer Kirchenhistoriker. Doch die beiden verstanden sich nicht gut
und so wurde Goethe bald zu einem scharfen Kritiker Herders, was
auch dessen kirchliche Arbeit berührte. Daher dauerte manches
Reformvorhaben Herders - etwa die Änderung des Gesangbuches - zum
Teil enorm lang.
Doch als Mann der Kirche verstand sich Herder wohl immer nur in
zweiter Linie. Seine Predigten gaben überwiegend nur sein allgemein
philosophisches Gedankengut wider und hatten - von wenigen Ausnahmen
abgesehen - kaum Lokalkolorit. "Es waren gelehrte Reden", fasst
Leppin einige Forschungsergebnisse zusammen, die in den letzten
Jahren im Rahmen eines SFB-Projekts an seinem Lehrstuhl erarbeitet
wurden. Für Herder waren die Predigten Arbeitstexte, die er "in
einer Sauklaue schrieb". Ihre Übertragung gelang Leppins Team erst
nach großen Mühen. Für Herder waren die Predigten zwar ein
literarisches Genre, das aber nicht zur Publikation bestimmt war.
Seine großen Gedanken gingen in seine philosophischen Arbeiten ein,
"in denen er das Denken der Vernunft stärker historisiert", fasst
Leppin zusammen.
Dennoch wird die Tagung zum 200. Todestag Herders wichtige neue
Ergebnisse über sein theologisches Wirken vermitteln und zu neuen
Diskussionen anregen. Die thematische Breite erstreckt sich von der
Geschichts-Philosophie bis zur praktischen Theologie.
Alle Vorträge sind öffentlich, doch unter ihnen ragt sicher der
Festvortrag von Rudolf Smend hervor, der am 18. Dezember um 19.30 in
der Herderkirche über "Herder und die Bibel" spricht. Am gleichen
Ort findet am 21. Dezember der Festgottesdienst statt, den
Landesbischof Prof. Dr. Christoph Kähler hält.
Kontakt: Prof. Dr. Volker Leppin Theologische Fakultät der
Universität Jena Fürstengraben 18, 07743 Jena Tel.: 03641 /
941135 Fax: 03641 / 941137 E-Mail:
Volker.Leppin@uni-jena.de
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