OBAK: Julius Posener über Bartning

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    Hier einige Sätze aus dem Buch von Prof. Julius Posener (Architekt, Publizist, Professor für Baugeschichte und 1972-1976 Vorsitzender des Deutschen Werkbundes) aus seinem Buch von 1983 über Otto Bartning:      
           
    "Otto Bartning ist nie etwas anderes gewesen als ein Expressionist. [...] Man braucht sich darum nicht zu wundern, daß Otto Bartning den expressionistischen Raum von größter Wahrheit geschaffen hat, die Sternkirche und das Haus, welches die Formgedanken des Expressionismus reiner verkörpert als irgendein anderes: das Haus Wylerberg. [...] Bartnings Expressionismus lebt ... in der Idee des Raumes, des Kirchenraums im besonderen."    
         
    "Bartning war als gläubiger Christ um den Sinn der Welt bemüht, nicht der Welt im technischen Zeitalter, sondern der Schöpfung schlechthin; und der Kirchenraum war ihm nicht in erster Linie ein Formproblem: er wollte, daß der Kirchenraum dem Gottesdienst so genüge, daß er nicht im Gegensatz zum kirchlichen Geschehen stand, daß er den Gottesdienst in der Gemeinde anrege und fördere, ohne jedoch ihn zu übertönen. Es sollte nicht so sein, daß 'die Wände lauter predigen als der Pastor', wie er einmal gesagt hat. Der Raum der Kirche sollte jedoch mehr sein als lediglich ein Auditorium, in dem die Predigt sicht entfalten kann, ohne daß der Raum teilnimmt. Das Problem betraf nicht den Raum sondern eben die Beziehung Raum - Gottesdienst."    
         
    "... ich habe das Glück gehabt, Otto Bartning zu kennen [...] Ich fand ihn höflich, 'unassuming' - was nicht ganz das Gleiche ist wie bescheiden. Ich glaube nicht, daß er bescheiden war: er hatte keinen Grund dazu. - Ich fand ihn eingehend und stets darum bemüht, daß der andere versteht, was er mit einer Arbeit erreichen wollte. [...] er war auffallend schmal und fein, das Auge war nachdenklich, wie in die Ferne gerichtet. Sagen wir: es war inspiriert."    
         
    "Bartning hat erkannt, woran die Zeit litt, - und er hat das Leiden für heilbar gehalten: durch den Mut zur Wirklichkeit. Unter Wirklichkeit hat er das Wesentliche verstanden, die Aufgabe, welche gemeistert werden muß. Dieser Wirklichkeit wollte er dienen [...] Die Wirklichkeit, in der wir stehen, hat etwas im Bartningschen Sinne Unwirkliches. [...] Man fragt sich, wie ihn, den Christen, die Gleichgültigkeit berührt haben würde, mit der wir es ertragen, daß Hunderte von Millionen Hunger leiden, weil einige Mächtige es für notwendig halten, die elffache Apocalypse vorzubereiten - und damit noch nicht zufrieden sind. Wie würde ihn unser Verzicht berühren, nicht auf schnelle Veränderung, sondern auf Veränderung überhaupt? Bartning, so wird mir von Jüngeren erzählt, die ihn damals erlebt haben, war eine große Gestalt aus einer anderen Zeit, die in die fünfziger Jahre hineinragte und Zuversicht ausstrahlte."    
           
  Weiterführender Hinweis: Im zu Herbst 2006 erscheinenden Kirchen-Werkverzeichnis wird ein bisher unveröffentlichter Vortrag von Julius Posener über Otto Bartning abgedruckt.  
OBAK 2005-2006 - http://www.otto-bartning.de